Das 1976 gegründete Institut Mathildenhöhe Darmstadt bewahrt, verwaltet und erweitert fortwährend die Städtische Kunstsammlung Darmstadt. Aktuell umfasst die Sammlung etwa 30.000 Werke verschiedener Gattungen aus der Zeit der Romantik bis zur zeitgenössischen Kunst. Die Provenienzen der Werke sind nur in wenigen Einzelfällen erforscht.
Das Ziel des Forschungsprojektes war die Überprüfung von 126 Objekten aus dem Bestand Plastik/Skulptur auf mögliche NS-verfolgungsbedingte Erwerbungskontexte. Dabei handelte es sich um Objekte, deren Datierung vor 1945 liegt, die nach 1933 in die Städtische Kunstsammlung Darmstadt kamen und deren Provenienzen lückenhaft oder völlig unbekannt waren.
Die zu prüfenden Objekte wurden größtenteils aus dem Kunsthandel und aus Privatbesitz im Zeitraum 1980 bis 1998 erworben. Der untersuchte Bestand umfasste Bronzen, Gips- und Terrakottaplastiken, Marmorskulpturen, Holz- und Steinskulpturen, Majolika sowie Porzellan. Größere Objektgruppen stammten von Mitgliedern der Künstlerkolonie Darmstadt, wie Bernhard Hoetger (1874-1949), Ludwig Habich (1872-1949), Daniel Greiner (1872-1943) und Heinrich Jobst (1874-1943). Viele weitere Künstler wie z. B. Adam Antes (1891-1984) hatten ebenfalls einen starken Bezug zu Darmstadt.
Der Bestand Plastik/Skulptur wurde im Rahmen des Projektes erstmals systematisch auf mögliche NS-verfolgungsbedingt entzogene Werke untersucht. Durch das Forschungsprojekt konnte ein NS-verfolgungsbedingter Erwerb bei 26 Skulpturen bzw. Plastiken ausgeschlossen werden. Für 31 weitere Kunstwerke wurden umfassende neue Informationen zu den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern, Vorprovenienzen, Besitzverhältnissen und Erwerbungsumständen recherchiert und dokumentiert. Bei einer Bronzebüste ergaben die Recherchen, dass sie während des NS-Regimes unter fragwürdigen Umständen in den Besitz der Stadt Darmstadt kam.
Darüber hinaus wurden die Institutionengeschichte sowie der Bestand der Darmstädter Galerie des 19. Jahrhunderts geprüft, welche von 1992 bis 1996 existierte. Während des vorangegangenen Projektes zum Gemäldebestand der Städtischen Kunstsammlung stellte sich die Galeriegründung als eigene, zu Beginn nicht bekannte, Forschungsfrage heraus. Hintergrund der neu geschaffenen Institution war der Kauf und die originalgetreue Wiederherstellung des 1901 von Joseph Maria Olbrich (1867-1908) entworfenen Haus Deiters durch die Stadt Darmstadt im Jahr 1988.
Geschaffen wurde ein Museum Darmstädter Kunst, in dem dauerhaft Werke der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt präsentiert werden sollten. Tatsächlich bestand die Institution jedoch nur bis 1996 und wurde dann geschlossen. Um eine qualitativ erstranginge Kollektion in der Galerie des 19. Jahrhunderts präsentieren zu können, betrieb die Stadt Darmstadt ab Mitte der 1980er Jahre eine engagierte Ankaufspolitik und tätigte bis Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Neuerwerbungen im Bereich Malerei und Graphik. Der dazugehörige Katalog verzeichnete 129 Gemälde, die den Darmstädter Beitrag zur Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts illustrierten.
Zu Beginn des Projektes wurde von etwa 40 Neuerwerbungen für diese neu geschaffene Institution ausgegangen. Nach der tiefergehenden Überprüfung zeigte sich, dass der damalige Direktor des Institut Mathildenhöhe spätestens ab 1988 für die Ausstattung der neuen Galerie insgesamt 72 Gemälde gezielt ankaufte. Mehrheitlich stammten sie aus Privatbesitz sowie aus dem regionalen, überregionalen und internationalen Kunsthandel.
Im Jahr 2023 wird die Buchpublikation "Die Kunststadt Darmstadt 1933 –1945: Erwerbungspolitik, Netzwerke und Akteure in Darmstädter Kulturinstitutionen" mit Rechercheergebnissen aus der Provenienzforschung erscheinen. Weiter ist beabsichtigt, die Resultate der Provenienzforschung in Ausstellungen zu integrieren.
Heinrich Jobst (1874 - 1943), Portraitbüste Klothilde Juliane Scharvogel (1890-1969), 1908, Marmor, 41 x 17 x 22 cm, Institut Mathildenhöhe, Städtische Kunstsammlung Darmstadt Inv. - Nr. 368 PL, Provenienz: Unbekannt, möglicherweise aus dem Nachlass des Künstlers Heinrich Jobst übernommen