Die Ausstellung
10 Jahre Museumsshop Mathildenhöhe mit Unterstützung des Vereins Ehrenamt für Darmstadt e. V.
Ideen für elegante Reformkleider, formschöne Trinkgläser oder ausgefallenes Mobiliar: Die kurze Blüte des Jugendstils bescherte eine Kunst, die mitten im Leben stand. Den Alltag mit Schönheit zu durchdringen war ein Ziel, dem sich auch die Künstlerkolonie Mathildenhöhe mit Hingabe widmete. Ihr kreativer Elan erfasste alle Bereiche der Kunst und ließ kaum einen Werkstoff außer Acht. Individuelle Formgebungen und fantasievolle Ornamentik an der Schnittstelle von Jugendstil, Art deco und Sachlichkeit sind es, die bis heute faszinieren.
Rund 60 Werke aus der Sammlung des Museums Künstlerkolonie zeigen den dekorativen Esprit und die erlesene Produktkultur der Jahrhundertwende am Beispiel Darmstadt und seines Umfelds. Erworben wurden die Kunstgegenstände nach und nach aus den Erträgen des Museumsshops. Eröffnet 1996 im achteckigen Ziegelbau neben dem Museum Künstlerkolonie, feiert der Museumsshop Mathildenhöhe in diesem Jahr sein 10jähriges Bestehen.
Die Ausstellung ist zugleich ein Dank an den verein „Ehrenamt für Darmstadt e. V.“ mit dessen personeller Unterstützung der Museumsshop betrieben wird.
Ausstellungsparcours
Die Jugendstil-Erwerbungen der letzten 10 Jahre werden ab 10. Dezember 2006 in den Sonderausstellungsräumen des Museums Künstlerkolonie gezeigt. Thematische Zusammenhänge geben die Gliederung der Präsentation vor.
Einen kulturgeschichtlichen Einstieg in die Lebenswelt der vorletzten Jahrhundertwende bietet das Thema „Robe und Reformkleid“. Es entwickelt sich um 8 originale, farbig angelegte Entwurfszeichnungen von Alfred Mohrbutter (1867 – 1916). Dieser hatte sich, ähnlich wie die Mitglieder der Darmstädter Künstlerkolonie Behrens und Christiansen, auch als Textilkünstler einen Namen gemacht hat. Zusammen mit den historischen Abbildungen aus dem „Album moderner, nach Künstlerentwürfen ausgeführter Damenkleider“ werfen die Entwurfszeichnungen ein Licht auf die Ambitionen der Jugendstil-Protagonisten, auch die Bekleidung in ihre Vorstellungen vom Gesamtkunstwerk einzubeziehen. Aus dem Rahmen der gewohnt opulenten Gesellschaftsroben fallen die Vorschläge für Reformkleider, die den ästhetisch wie gesundheitlich fragwürdigen modischen Übertreibungen wie „Wespentaille“ und „Cul de Paris“ den Kampf ansagten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand das Reformkleid nur bedingt Anklang, bis Mieder und Korsett endgültig fielen, sollte noch geraume Zeit vergehen.
Zeichnungen und Mappenwerk wurden 2005 von einer Nachfahrin des Alfred Mohrbutters erworben.
Ein weiterer Ankauf führt direkt an den Wirkungsort der Darmstädter Künstlerkolonie, die Mathildenhöhe. Hier fand 1901 die berühmte Ausstellung „Ein Dokument Deutscher Kunst“ statt. Um die Besucher aus nah und fern stilgerecht zu verköstigen, wurde eigens ein Ausstellungs-Restaurant erbaut. An dessen Ausstattung bis hin zur Gestaltung von Speise- und Getränkekarten, waren verschiedene Mitglieder der Künstlerkolonie beteiligt. Das etwas rustikal wirkende Mobiliar wurde nach Entwürfen von Joseph Maria Olbrich (1867 – 1908) angefertigt.
Nachdem bereits Speise- und Getränkekarten sowie Teile von Paul Bürcks Geschirr Eingang in die Sammlung gefunden hatten, gelang es 2003 auf einer Auktion in München einen Stuhl aus dem Ausstellungsrestaurant zu ersteigern. Eine echte Rarität. Im Rahmen der fachmännischen Restaurierung wurde der Stuhl von späteren Farbanstrichen befreit. Er befindet sich heute wieder in dem Zustand wie ihn der Ausstellungsbesucher von 1901 vorfand.
Der gedeckte Tisch war eine Spielwiese der Jugendstil-Designer. Niemals zuvor wurden so viele Formen und Muster für Bestecke, Tafelgeschirr oder Tischdecken erdacht. Insbesondere die Künstlerkolonie Mathildenhöhe lieferte exzellente Beiträge zur Tischkultur um 1900. Wegen der gestalterischen Vielfalt und außerordentlichen Schönheit entwickelten sich in der vergangenen Zeit gerade die Trinkgläser des Jugendstils zu einem speziellen Sammelgebiet. Mit dem Ankauf einer Champagnerschale von Peter Behrens (1868 – 1940), eines seltenen Weinglases von Joseph Maria Olbrich und von zwei edlen Stengelgläsern nach Entwurf von Albin Müller (1871 – 1941) konnte das Institut Mathildenhöhe einige besonders exquisite Beispiele für das Gebrauchsglas um 1900 erwerben.
Von der Kreativität und Erneuerungslust der Jugendstil-Protagonisten profitierten die verschiedensten Zweige des Kunstgewerbes. Für die im Westerwald angesiedelten Betriebe der Steinzeug-Industrie schufen Peter Behrens und Albin Müller zahlreiche Entwürfe, die dazu beitrugen, das künstlerische Niveau dieses alteingesessenen Produktionszweiges zu verbessern.
Eine im Jahre 2002 erworbene Waschschüssel von Behrens mit typischem markantem Liniendekor sowie drei Gebrauchsgefäße von Müller lassen die
Besinnung auf eine neue Ursprünglichkeit in den Gefäßformen, auf Materialgerechtigkeit und eine angemessene Erfindungsfreiheit im Ornament erkennen.
Ein Stuhl aus dunklem Eichenholz und eine Zinnschale von Joseph Maria Olbrich erinnern an die 2. Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie im Jahre 1904. Mit der Errichtung und Ausstattung der „Dreihäusergruppe“ am südöstlichen Abhang der Mathildenhöhe wollte man Bau- und Einrichtungsvorschläge für das Bürgerliche Wohnen unterbreiten. Im großen Ganzen schlicht, in den Detailformen ausgefallen wirkt der erst 2006 angekaufte Stuhl. Er entspricht jenem Modell, das zum Wohnzimmer-Mobiliar des so genannten Holzgiebelhauses gehörte. Die Zinnschale aus demselben Ambiente ist ein Beispiel für Olbrichs Beschäftigung mit gut gestalteten, erschwinglichen Serienprodukten.
In den Bereich der Luxuskunst, des Liebhaber- und Sammlerstücks führt dagegen die Gruppe von Vasen aus der Großherzoglichen Edelglasmanufaktur Darmstadt. Unter der Leitung von Josef Emil Schneckendorf (1865-1949) entfaltete dieses kleine Prestige-Unternehmen des Künstlerkolonie-Gründers Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein ab 1907 eine kurze, aber prächtige Blüte. Mit seinen Edelgläsern, deren metallische Lasuren in ihrem farbenprächtigen Schillern bisweilen an ausgegrabene antike Glasgefäße erinnern, beschritt Schneckendorf einen eigenständigen Weg, der wirtschaftlich allerdings zum Scheitern verurteilt war.
Die Lust am Ornament bestimmt die gesamte Richtung des Jugendstils. Sie äußert sich in erster Linie in der Belebung der Fläche durch vegetabile, geometrisch-abstrakte oder lineare Dessins. Um kurvige, im Sinne organischen Lebens bewegte Flächenmuster handelt es sich bei den 7 Entwürfen für Fliesen von Paul Bürck (1878-1947). Sie wurden 1999 aus dem Nachlass des Künstlers erworben, der zu den Jüngsten der Darmstädter Gruppe gehörte. Von Hans Christiansen (1866-1945), einem Meister auf dem Gebiet des Textildesigns, stammt eine um 1905 entworfene rot bedruckte Tischdecke. Eine ganz spezielle, von der Wiener Moderne ausgeprägte, farbenfrohe Flächenornamentik finden wir bei den dekorativen Bahlsen-Gebäckdosen nach Entwürfen von Emanuel Josef Margold (1889-1962). Sie dokumentieren in unserer Sammlung den Übergang des Jugendstils zum Art deco.
Nicht nur Architektur und angewandte Kunst, sondern auch Malerei und Plastik hatten ihren Platz in der Darmstädter Künstlerkolonie. Durch eine Reihe interessanter Neuerwerbungen sind diese Gebiete in der Sammlung nicht länger unterrepräsentiert: Nachweislich auf der 1. Ausstellung der Künstlerkolonie 1901 gezeigt wurde die figürlich ausgearbeitete Bronzeschale „Meerjungfrau“ von Rudolf Bosselt (1871-1938). Sie wurde 2004 aus Privatbesitz erworben. Der Ankauf der farbig glasierten Majolika-Plastik „Sieg“ trug wiederum zur sukzessiven Vervollständigung der 1912 ausgeformten Serie „Licht- und Schattenseiten“ von Bernhard Hoetger (1874 -1949) bei. Neben neu erworbenen Gemälden von Johann Vincenz Cissarz (1873-1942) und Fritz Osswald (1878-1966) ist vor allem der 1910 gemalte „Mephisto“ von Hanns Pellar (1886-1971), einem Schüler des Münchner Malers Franz von Stuck hervorzuheben.
Die künstlerische Bearbeitung von Metall war die Domäne der beiden Gold- und Silberschmiede Ernst Riegel (1871 – 1939) und Theodor Wende (1883 – 1968). 2004 auf einer Auktion ersteigert wurden zwei figurative, in Messing gegossene Kerzenleuchter von Riegel, die Licht dekorativ in Szene setzen. Ausgesprochen selten sind die Arbeiten von Wende, da es sich bei ihnen durchweg um handgefertigte Einzelstücke handelt. Mit einer Entwurfszeichnung für einen Pokal und einer silbernen Aschenschale ist der Künstler, der zur letzten Generation der Darmstädter Gruppe gehört, nun in der Sammlung vertreten.
Beim jüngsten Neuzugang handelt es sich um einen außergewöhnlichen Stuhl von Albin Müller. Er gehörte ursprünglich zu einem vierteiligen Satz, der im Rahmen der Deutschen Theater-Ausstellung Magdeburg 1927 zur Ausstattung des so genannten Intendanten-Zimmers gehörte. Diese ambitionierte Ausstellung war architektonisch und raumkünstlerisch im Wesentlichen von Müller gestaltet worden.
Die Form des Stuhl-Rückens ist eine Anspielung auf die Gestalt des oberen Abschlusses des Hochzeitsturms auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Das Möbel dokumentiert nicht zuletzt das Nachwirken der Künstlerkolonie, die erst 1929 formell aufgelöst worden ist. Sein Urheber, Albin Müller, lebte bis zu seinem Tod 1941 in seinem auf der Mathildenhöhe errichteten Wohnhaus.
Museumsshop Mathildenhöhe
Eine Spezialität des Museumsshop sind sorgfältig reproduzierte Replikate dekorativer Gebrauchs- und Ziergegenstände aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die exklusiven Kelchgläsern von Peter Behrens, die rustikalen Steinzeugdosen von Albin Müller und die beliebten Geschirrtücher von Joseph Maria Olbrich wurden nach historischen Originalwerken aus dem Museum Künstlerkolonie gefertigt. „Kayser-Zinn“, WMF-Jugendstilartikel oder Glas der Wiener Werkstätte runden das Angebot an Replikaten ab. Spezialliteratur sowie ein umfangreiches Sortiment an Postkarten, Foulards, Taschen etc. lassen Jugendstil-Liebhaber fündig werden.
Der Verein Ehrenamt für Darmstadt e. V.
Der Verein Ehrenamt für Darmstadt e. V., 1994 gegründet, hat die Idee der ehrenamtlichen Arbeit in kulturellen Institutionen als „Darmstädter Modell“ beispielhaft in die Tat umgesetzt. Der Museumsshop gehört zu den wichtigen Aufgaben des Vereins. Rund 40 Damen und Herren haben die Beratung und den Verkauf der Waren übernommen. Mit seinen Einnahmen ermöglicht der Verein den Kauf von Kunst für das Institut Mathildenhöhe.
Über die in der aktuellen Sonderausstellung gezeigten Werke hinaus, wurde aus den Gewinnen des Museumsshops außerdem die Aluminiumfigur „Zwischen den Zeiten“ von Hubertus von der Goltz angekauft, die seit 1999 auf dem Dach des Ausstellungsgebäudes das 100-jährige Jubiläum der Künstlerkolonie symbolisiert.