Joseph Maria Olbrich Secession Wien – Mathildenhöhe Darmstadt Ausstellungsarchitektur um 1900

16.07.2006
08.10.2006

Ausstellungsgebäude

Die Ausstellung

Olbrichs Entwürfe - bestechende zeichnerische Fähigkeiten und zugleich Typologie der Ausstellungsarchitektur um 1900

Das Gebäude der Wiener Secession, Künstlerhaus und Ausstellungshallen auf der Mathildenhöhe – nirgendwo materialisierte sich das Pathos des Aufbruchs in den Jahren um 1900 eindrucksvoller als in diesen „Kunsttempeln“. Die Präsentation der reformierten Künste verlangte einen adäquaten architektonischen Rahmen, verlangte Bauwerke, deren Formen die Ideen der künstlerischen Moderne ästhetisch widerspiegelten. Gerade am Beispiel von Joseph Maria Olbrich (1867-1908), des herausragenden Architekten der Darmstädter Künstlerkolonie, lässt sich die Genese eines Kunstausstellungsbaus von der ersten Handskizze über diverse Studien bis hin zu detailliert ausgearbeiteten Plänen nachvollziehen.

Der Fokus auf Ausstellungsarchitektur ist dabei nicht nur Olbrichs exemplarischen Bauwerken in Wien und Darmstadt geschuldet, sondern auch der herausragenden Bedeutung von Ausstellungsarchitektur als Bauaufgabe um 1900. Die Inspiration durch weihevolle Grabmals- und Tempelarchitektur, aber auch durch visionäre „Architekturideen“, die in jener Zeit zahlreich zu Papier gebracht wurden, ist für die Wiener Secession wie für die Darmstädter Ausstellungsbauten gleichermaßen bedeutsam.

Die Sonder-Ausstellung im Museum Künstlerkolonie ist ein Vorgriff auf den hundertsten Todestag Olbrichs sowie das hundertjährige Jubiläum der Eröffnung von Ausstellungsgebäude und Hochzeitsturm. Sie versammelt rund 110 Handzeichnungen, Entwürfe, Konstruktionspläne, Architekturmodelle und fotografische Dokumente. Diese beziehen sich dezidiert auf Bauprojekte zum Thema Ausstellungsarchitektur. Die „Wiener Secession“, das Ernst-Ludwig-Haus und das Städtische Ausstellungsgebäude in Darmstadt stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Olbrichs Arbeiten für temporäre Ausstellungspavillons sowie für nicht verwirklichte Projekte runden das Bild ab.

Die Aussagekraft von Olbrichs grafischen Blättern ist enorm. Sie offenbaren die stupenden Fähigkeiten des ausgebildeten Architekten als Zeichner und als Aquarellist. Sie führen seine individuelle künstlerische Herangehensweise an ein Bauprojekt vor Augen, das oft wie beiläufig mit locker hingeschriebenen Handskizzen begonnen und dann auf genialisch-intuitive Weise weiterentwickelt wird. Und sie dokumentieren nicht zuletzt, in welchem Maße sich Olbrichs Architektur innerhalb eines Jahrzehnts wandelt. Hatte er zwischen 1897 und 1900 mit der Wiener Secession und dem Ernst-Ludwig-Haus Ikonen des ins Ornament verliebten Jugendstils geschaffen, so gelangte er bei einem seiner letzten Bauten, dem Ausstellungsgebäude auf der Mathildenhöhe (1905-1908), zu einer fast nüchternen, auf die „große Form“ bedachten Architektur. Mit ihrer Synthese aus Archaik und Moderne verweist diese „neuzeitliche Akropolis“, die wie ein Wahrzeichen aus dem Stadtbild Darmstadts wächst, auf die immer noch unterschätzte monumentale Seite der Avantgarde-Architektur.

Zur Ausstellung erscheint im Deutschen Kunstverlag ein Katalog, herausgeben vom Institut Mathildenhöhe Darmstadt, mit einem Vorwort von Ralf Beil und Texten von Peter Haiko, Caterina Iezzi und Renate Ulmer, ca. 120 Seiten, ca. 40 Farb- und 60 Schwarzweißabbildungen, 19,5 x 19,5 cm, Broschur, Preis in der Ausstellung € 15,-, im Buchhandel € 19,90.

„Das Haus wird zur Maschine …“


Städtisches Ausstellungsgebäude, Mathildenhöhe Darmstadt

Im März 1906 stimmten die Stadtverordneten Darmstadts dem Antrag zu, in prominentester Lage auf der Mathildenhöhe ein ständiges Ausstellungs-Haus zu errichten. Zuvor schon hatte Großherzog Ernst-Ludwig die Ausarbeitung der Pläne in die Hände von Joseph Maria Olbrich gelegt. Die asymmetrisch gegliederte, zur Stadt hin ausgerichtete Baugruppe erhebt sich auf zwei Stufen – ausgebildet als Böschung mit Pergola auf der Rückseite und Terrassen- und Treppenanlage auf der Vorderseite – über den Gewölben eines Wasserreservoirs. Olbrichs Idee, das Gebäude in dem „modernen“ Material Eisenbeton zu errichten, ließ sich aus praktischen Gründen nicht verwirklichen. Sie wurde schließlich zugunsten der Entscheidung für einen hellgrau verputzten Mauerwerksbau fallen gelassen.

Das 1908 eröffnete Ausstellungshaus war ursprünglich eine aus kubischen Körpern U-förmig um einen rechteckigen Hof („Rosenhof“) gruppierte Anlage, deren drei Säle jeweils abgeschlossene Einheiten darstellten. Den funktional gedachten Hallen stellte Olbrich einen hohen Eingangspavillon voran, der zusammen mit Treppenaufgang und Aufgangspavillon ein spannungsreiches Gegengewicht zum überragenden „Hochzeitsturm“ auf der anderen Seite der Gebäudegruppe bildet.

Im Zweiten Weltkrieg fielen große Teile der Ausstellungshallen den Bomben zum Opfer. Im Zuge des Wiederaufbaus und aufgrund neuer Nutzungskonzeptionen wurden umfassende bauliche Veränderungen vorgenommen. Seit der Renovierung und dem Ausbau der Ausstellungshallen in den 1970er Jahren steht das Ausstellungsgebäude mit einer Fläche von 1000 qm dem Institut Mathildenhöhe ganzjährig für Wechselausstellungen zur Verfügung.

„Wie ein Tempel in einem heiligen Haine …“

Ernst-Ludwig-Haus, Mathildenhöhe Darmstadt

Entsprechend seiner ideellen Bedeutung als Brennpunkt aller künstlerischen und organisatorischen Belange der 1899 gegründeten Künstlerkolonie setzte Olbrich den Bau mit seinen hellen, verputzten Wandflächen als zentralen oberen Abschluss an den steilen Südhang der Mathildenhöhe. Benannt nach seinem Bauherrn, dem Großherzog von Hessen-Darmstadt, wurde er zur ersten Ausstellung der Künstlerkolonie im Mai 1901 fertig gestellt. Neben der primären Bestimmung als Arbeitsstätte beziehungsweise Ateliergebäude diente das Ernst-Ludwig-Haus 1901 wie auch in den Folgejahren immer wieder der Präsentation kleinerer Ausstellungen. So etwa 1903 wo im Rahmen einer Olbrich-Ausstellung die Entwürfe für die Weltausstellung in St. Louis vorgestellt wurden. 1904 war das Gebäude mit den damals eigens eingebauten Musterzimmern einer der Schauplätze der zweiten Künstlerkolonie-Ausstellung.

Die formale Gestaltung der als repräsentative Schaufassade ausgebildeten, 55 m langen, symmetrischen Südfront zielt auf beherrschende Wirkung und ruhende Monumentalität. Der Bauschmuck konzentriert sich im Wesentlichen auf das omegaförmig vortretende Mittelportal als dem festlichen Endpunkt der zentralen Treppenanlage. Ludwig Habichs Kolossalstatuen „Mann“ und „Weib“ (bzw. „Kraft“ und „Anmut“) flankieren die Portalnische. Vor der mit vergoldeter Pflanzenornamentik geschmückten Rückwand stehen zwei als Galvanoplastiken ausgeführte Genien von Rudolf Bosselt. Das Portal öffnet sich zum ehemaligen Festsaal; zu beiden Seiten reihten sich zweigeschossige Atelierräume mit großen Oberlichtbändern. Die zweckgebundene Sachlichkeit der geneigten Atelierfenster bestimmt die Fassadengestaltung auf der Nordseite. 1904 fügte Olbrich in einem Anbau die Bildhauerateliers hinzu.

Nach schweren Bombenschäden 1944 und vereinfachtem Wiederaufbau 1950/51 für veränderte Nutzungen erfolgte 1987-90 die weitgehende Rekonstruktion für die neue Bestimmung des Bauwerks als „Museum Künstlerkolonie Darmstadt“. 

„Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit“

Gebäude der Wiener Secession, Karlsplatz Wien

Als die „Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Wiener Secession“ im April 1897 ihre Gründungsversammlung abhielt, war auch die Errichtung eines neuen Ausstellungshauses ihr programmatisches Anliegen. Ein Grundstück an der Ringstraße war zunächst als Bauplatz vorgesehen. Olbrich, einer der Secessionsmitbegründer, verfertigte die Pläne. Sie wurden im Wiener Gemeinderat jedoch heftig kritisiert. Erst die Verlegung des Bauplatzes auf ein weniger „prominentes“ Areal am Karlsplatz führte zum Erfolg. Olbrich stimmte daraufhin den Entwurf auf die neue Lage ab. Die Finanzierung des Baus erfolgte aus dem reichen Erlös der I. Secessions-Ausstellung und wurde im Wesentlichen von privaten Kunstmäzenen unterstützt, allen voran dem Großindustriellen Karl Wittgenstein. Den Baugrund stellte die Stadtgemeinde kostenlos zur Verfügung. Binnen sechs Monaten wurde der Bau fertig gestellt und am 12. November 1898 mit der II. Ausstellung der Secession eröffnet.

Das Gebäude erhebt sich über einem zentralisierenden Grundriss, in dem Olbrich quadratische und kreuzförmige Ordnungen ineinander verschränkte. Durch die weitgehend geschlossenen, verputzten Außenwände wirkt der Pavillon wie ein aus massiven Kuben aufgebautes Gebilde. Es gliedert sich in „Kopf“ und „Leib“: den repräsentativen Eingangsbereich, dessen Zentrum von der vergoldeten Lorbeerkuppel überragt wird und den anschließenden Ausstellungstrakt, der über die zeltartigen Glasdächer ein gleichmäßiges Oberlicht erhält. Dieser Innenraum wurde von der zeitgenössischen Kritik sofort gewürdigt und als wegweisender Prototyp erkannt.

Als unabhängiges Ausstellungshaus zeitgenössischer Kunst richtete die Wiener Secession seit ihrer Eröffnung eine Fülle von teils aufwendig inszenierten Präsentationen aus. So entwickelte man zum Beispiel 1902 für eine einzige Skulptur, Max Klingers „Beethoven“, ein eigenes Raumkonzept in dessen Zusammenhang Gustav Klimts berühmter „Beethoven-Fries“ entstand. Dem Konzept der Vermittlung internationaler aktueller Kunst blieb man auch nach der letzten großen Generalrenovierung 1984/85 treu.

Biografische Daten zu Joseph Maria Olbrich

  • 22. Dezember 1867 in Troppau (Österreichisch-Schlesien) geboren, Staatsgymnasium in Troppau

  • 1882-86 Ausbildung an der Staatsgewerbeschule in Wien. Lehrer u. a. Camillo Sitte

  • 1886-90 als Architekt und Bauleiter für den Bauunternehmer August Bartel in Troppau tätig

  • 1890-93 Studium an der Spezialarchitekturschule von Carl von Hasenauer an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Abschluss mit Auszeichnung

  • 1893 Anstellung als Zeichner bei Otto Wagner

  • 1893/94 Als Träger des Rom-Preises der Akademie bereist Olbrich Italien und Nordafrika.

  • 1895 Reise nach Frankreich, England und Deutschland

  • 1896 Projekt Villenkolonie „Cobenzl-Krapfenwaldl“, Wien

  • 1897 Gründungsmitglied der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Wiener SecessionGebäude der Secession, Wien, Clubhaus des Radfahrvereins der Staats- und Hofbeamten, Grabmal der Familie von Klarwill, Villa Max Friedmann in Hinterbrühl

  • 1898 Berufung durch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein als Gründungsmitglied der Künstlerkolonie nach Darmstadt

  • 1899 Wohnhaus Hermann Bahr, Wien-Ober St. Veit; Grabmal Schlesinger in Wien

  • 1900-01 Bauten auf der Mathildenhöhe, darunter: Haus Olbrich, Haus Habich, Großes und Kleines Glückert-Haus, Haus Keller, Haus Deiters, Ernst-Ludwig-Haus sowie verschiedene temporäre Ausstellungsgebäude

  • 1904 „Dreihäuser-Gruppe“ für die 2. Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie; Brunnenhof und Interieurs für die Weltausstellung in St. Louis

  • 1905-08 Hochzeitsturm und Ausstellungsgebäude auf der Mathildenhöhe Darmstadt

  • 1906-08 Warenhaus Tietz in Düsseldorf; verschiedene Villen im Rheinland

  • 1907 Gründungsmitglied des Deutschen Werkbundes

  • 8. August 1908 Olbrich stirbt in Düsseldorf

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